Dienstag, 15. April 2008

Atomkraft und Moral

Hmm. Nun bin ich ja eigentlich schon immer Öko, und auch schon immer gegen Atomkraft. Nur in letzter Zeit finde ich es immer schwerer, das zu begründen. Die diffusen Ängste der Leute auf der Straße sind ja von den Ökos gut genutzt worden, um Atomkraft zu verteufeln - nur taugen sie so wenig in der rationalen Argumentation. Warum sollte man also gegen Atomkraft zu Zwecken der Energiegewinnung sein?

Fangen wir ganz am Anfang an, beim Brennstoff Uran:
Der wird in Minen abgebaut. Angeblich kommen dabei Menschen zu Schaden und sterben - sei es an der Strahlung oder am Feinstaub. Das ist sicher nicht toll, sieht aber bei Kohle genau so aus. Und wer schon mal Filme über die Erdölförderung in Sibirien gesehen hat, weiss, dass auch dort Menschen sterben. Bei Erneuerbaren Energien müssen zwar keine Brennstoffe abgebaut werden, aber auch Beton, Kupfer und Stahl für Windräder kommen letzten Endes aus Minen. Also kein starkes Argument gegen Atomkraftwerke. Gleiches gilt für die Endlichkeit der Uranreserven (spricht ja nichts dagegen, die bestehenden zu nutzen) und deren regionale Verteilung.

Für die meisten AKWs müssen Brennstoffe aufbereitet werden, um den Anteil an spaltbarem Uran 235 zu erhöhen. Dazu benutzt man Zentrifugen. Die kann man wohl auch gut zweckentfremden und das Uran soweit anreichern, bis es waffenfähig ist. Das bedeutet Atombomben - nicht wirklich toll. Aber ein Ausschlußkriterium? Wie viele Chemiefabriken gibt es weltweit, die theoretisch in der Lage wären, Chemiewaffen herzustellen? Da kräht kein Hahn nach.

Die Brennstäbe (oder auch Kugeln) landen dann im Kraftwerk. Da gibt es Unterschiede - die alten russischen Designs sind wirklich haarsträubend und mit den modernen westlichen Kraftwerken kaum zu vergleichen. Dennoch bleibt bei jedem AKW das Restrisiko einer Kernschmelze mit enormer Radioaktivitätsfreisetzung. Ich persönlich halte nichts davon, extreme Risiken, die sehr unwahrscheinlich, dafür aber sehr sehr schlimm sind, einfach mit Wahrscheinlichkeit*Schaden zu bewerten. Das geht bei mittleren Risiken gut, aber nicht beim GAU. Ob eine Gesellschaft dieses Risiko tragen will muss sie selber entscheiden. Sie sollte allerdings nicht vergessen, dass im chinesischen Kohlebergbau angeblich jedes Jahr 10.000 Menschen sterben. Klarer Pluspunkt des Kraftwerks ist seine CO2-Freiheit - die Gesamtemissionen einer kWh Atomstrom sind marginal. Das Klima kann sich da auf jeden Fall freuen. Auch gibt es keinen Feinstaub, sauren Regen oder Ähnliches.
Als größtes Problem sehe ich die Menschen und die Firma, die das Kraftwerk betreiben. Gerade den raffsüchtigen deutschen Energiekonzernen ist nicht zu trauen. Sicherheit kommt bei denen an zweiter Stelle nach Gewinn. Die Wasserstoffexplosion in Brunsbüttel 2001 hat das gut bewiesen. Das ist in der Tat ein Ausschlußkriterium - unter solchen Bedingungen kann man AKWs nicht sicher betreiben. Nur irgendwie hat das mit der technischen Sicherheit wenig zu tun - andererseits ist es egal, wieso ein Unfall passiert. Vielleicht wäre die korrekte Aussage dazu: "Der sichere Betrieb von AKWs setzt ein Menschenbild voraus, welches nicht der Realität entspricht."
Wo ich mit zur Zeit nicht sicher bin ist beim Alter der Kraftwerke. Klar nehmen kleine Pannen zu, wenn eine Maschine altert. Das ist aber kein Grund, sie abzuschalten, bevor sie ihre Nennlebensdauer erreicht hat. Zumal ziemlich alles meldepflichtig ist, was man sich nur vorstellen kann. Da mache ich mir schon eher Sorgen um einen Flugzeugangriff - die Reaktorschutzbehälter sind auf ein Kampfflugzeug ausgelegt, nicht auf dem 11. September. Das ist ganz klar ein Risiko, gegen dass man kaum nachrüsten kann. Nur sollte man eine Gesellschaft auf Angst bauen? Angst vor Terroranschlägen? Gegen den Neubau von Reaktoren ist das eh kein Argument, die bekommen dickere Hüllen.

Bleibt die Endlagerung. Da gibt es echt keine sinnvolle praktikable Lösung - das Zeugs strahlt auf Jahrtausende. Ob man das zukünftigen Generationen aufbürden kann? Wir konnten ja noch nicht mal die Hieroglyphen entziffern, und die sind keine 10.000 Jahre alt. Alternativen wie Transmutation existieren nur auf dem Papier.

Also alles in allem vielleicht doch nicht meine Lieblingsstromerzeugung. Aber irgendwie ist diese Ablehnung viel relativer und weniger absolut als früher.

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