Freitag, 22. August 2008

Sülter Reaktionen

Einige Blogger haben die Aktion auf Sylt kommentiert. Nunja, besonders inhaltsreich war das alles nicht, aber ich habe mich beim Lesen köstlich amüsiert. Johan von Huelsen von der CDU in Ahrensburg verweist im Wesentlichen auf andere Blogeinträge, schreibt aber auch, dass er Greenpeace für anmaßend hält. Leider vermeidet er es, die Themengebiete Grundschleppnetze und Überfischung auch nur anzureißen. Währenddessen nennt Malte Steckmeister Greenpeace eine "ökototalitäre Organisation". Sowas lese ich immer gerne, denn an solchen Reaktionen merkt man am Besten, dass man irgendwo ins Schwarze getroffen hat. Er stellt aber auch drei Fragen, die ich ihm als Greenpeace-Aktivist gerne beantworten möchte:

Woher nehmen Menschen in einem demokratischen Rechtsstaat das Recht, für sich höheres Recht in Anspruch zu nehmen?

Abwägung moralischer Argumente. Ehrlich gesagt, gehen mir Gesetze ziemlich am Arsch vorbei. Ich interessiere mich für Moral. Und eigentlich sollen ja Gesetze die Moralvorstellungen der Gesellschaft verbindlich machen. Ich frage mich: "Ist es moralisch gerechtfertigt, das zu tun?"

Zunächst einmal wird kein Schaden angerichtet. Da werden ein paar Steine auf dem Meeresboden versenkt - das tut niemandem weh, der Natur nicht, unserer Demokratie nicht und der Ökonomie auch nicht. Diese Steine verhindern allerdings, dass dort mit Grundschleppnetzen gefischt wird (was nicht verboten ist). Die Grundschleppnetze der Fischer pflügen den Meeresboden regelrecht durch und zerstören fast alles Leben. Wer sich das nicht richtig vorstellen kann: Auf der Greenpeace-Website gibt es eine gute Animation dazu.
Dass derart zerstörerische Aktivitäten in ökologisch wertvollen Gebieten wie dem Sylter Aussenriff eigentlich nicht zu dulden sind, versteht sich von selbst.

Ausserdem ist die Nordsee gnadenlos überfischt. Schutzgebiete, in denen der Fischfang komplett verboten ist, sorgen dafür dass sich die Populationen wieder erholen können. Greenpeace fordert deshalb - auf der Grundlage wissenschaftlicher Recherche - 40% der Nord- und Ostsee unter Schutz zu stellen - einfach weil es absolut notwendig ist. Das Sylter Außenriff könne so ein Gebiet sein.
Die Politik hat in den letzten 10 Jahren im Wesentlichen geschlafen, da finde ich es völlig OK, ihnen mal ein bisschen vorzumachen wie es geht. Zumal das Versenken von Steinen im Meer nun kein Kapitalverbrechen ist. Ob es überhaupt strafbar, nur eine Ordnungswidrigkeit oder sogar legal ist, weiss keiner. Letzten Endes wird das wohl ein Gericht feststellen müssen. Nur weil eine Behörde (hier: BSH) der Auffassung ist, die Aktion wäre illegal, muss das ja noch lange nicht stimmen.

Was würden die Aktivisten sagen, wenn andere für sich auch höhere Recht in Anspruch nehmen würden, um solche Aktionen zu verhindern? (also konkret zB in diesem Fall die Beluga zu versenken)

Ähem, etwas juristische Bildung täte da wohl ganz gut. Oder auch einfach die Intelligenz, Dinge in Relation zueinander zu setzen. Greenpeace versenkt ja auch keine Fischkutter. Ich bin der Auffassung, dass man in unserer Demokratie jedem zumuten kann, dass er sich für seine Taten vor Gericht verantwortet. Als Greenpeace-Aktivist habe ich ein reines Gewissen und falls ich mal irgendwo wegen einer Aktion verurteilt werde, kann ich damit leben - eben weil ich weiss, dass selbst "illegale" Aktionen nichts wirklich Schlimmes sind.
Das Versenken eines Schiffes ist nicht nur Sachbeschädigung, Sabotage und pure Zerstörung, sondern im Zweifelsfall Mord, falls Menschen an Bord sind. Wenn jemand meint, sowas machen zu müssen, werde ich ihn leider kaum abhalten können - wie man das dann moralisch begründen will, gerade auch in Anbetracht einer Güterabwägung, ist mir schleierhaft. Im Übrigen haben schon ganz Andere versucht, Greenpeace durch das Versenken eines Schiffes zu Stoppen, geklappt hat das aber schon damals nicht.

Und: Wofür haben wir eigentlich Bundespolizei, Polizeien der Länder sowie eine Küstenwache (und die torpedobestückte Bundesmarine)?

Fangen wir mal hinten an:
Nicht für Einsätze im Inneren, schon gar nicht zu Friedenszeiten. Sollte man eigentlich wissen, da gibt es andauernd Diskussionen drüber.
Und die Polizei - nun, irgendwer hat da wohl das Wort "Güterabwägung" schonmal gehört und vielleicht haben die ja auch Wichtigeres zu tun, als Leute daran zu hindern, auf hoher See Steine ins Wasser zu werfen.
Vielleicht ermitteln sie ja, wer bei den Greenpeace-Trailern sechs Reifen zerstochen hat. Das ist Selbstjustiz, und feige ist es obendrein. Aber es zeigt, dass die Aktion ein Treffer war.

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Luke (Gast) - 23. Aug, 17:10

Selbstjustiz - aber mit gutem Gewissen!

Unglaublich, Deine Argumente für die Greenpeaceaktion sind wirklich großartig. Du bist ein wahrer Kenner. Denn es schadet ja Keinem, vor allem keinem Fischer wenn sein Kutter wegen eines solchen ILLEGAL abgeworfenen Felsbrockens sinkt. (Nach Deiner juristischen Sicht, die wie man merkt sehr eingeschränkt ist, wäre das wohlmöglich auch Mord... - aber Mord mit gutem Gewissen versteht sich) Es schadet ihm auch nicht, einfach nicht mehr arbeiten zu können. Seine Lebensgrundlage wird gerade von Greenpeaceaktivisten gesteinigt - aber hey was solls. Euch gehen die Gesetze ja am Arsch vorbei. Sehr schön auch wenn sich der Autor über die Selbstjustiz an den zerstochenen Reifen aufregt. Ja ich würde mich darüber auch ärgern - wenn man aber zeitgleich selber das Gesetz bricht um Lebensgrundlagen zu "retten", ist man kein deut besser. Vielleicht wollen die Fischer ihre Lebensgrundlage retten indem sie Greenpeace die Reifen zerstören...??? Man weiß es nicht.
Warum heißt der Laden eigentlich Green"peace"? Haben die jemals etwas friedvoll erreicht?

Thema an der ganzen Geschichte ist nebenbei auch nicht das Grundschleppfischen - und das hat Greenpeace sich selbst zuzuschreiben. Das ist nämlich legal (egal wie man das auch finden mag). Die Aktionen mit denen Greenpeace auch sich aufmerksam machen will - es handelt sich wahrscheinlich sowieso nur um eine Marketingkampagne dieses Öko-Vereins - sind aber illegal.

floppi - 23. Aug, 18:05

legal oder illegal?

Wie ich schon schrieb - ob das Versenken von Steinen in der Nordsee nun legal oder illegal ist, weiss noch kleiner. Da warte ich darauf, was die Gerichte urteilen werden. Bis dahin halte ich mich da mit Behauptungen zurück.
Wo diese Steine liegen, ist jedem Fischer bekannt - nämlich hier:

121355 UTC AUG 08
NAV. WARN. NO. 423
GERMAN BIGHT. WEST OF SYLT.
STONES WITH UNKNOWN MEASUREMENTS BETWEEN THE POSITIONS:
54-45,8N 007-11,1E
54-44,4N 007-18,7E
54-39,9N 007-14,5E
54-40,5N 007-10,5E.
DANGER FOR FISHERY.

Also - erstens wissen die Fischer dass da Steine liegen. Sind sie einigermassen intelligent, fischen sie dort nicht. Das macht nämlich - zweitens - ihre Netze kaputt, führt aber nicht, wie von einigen dargestellt, dazu, dass ihre Boote sinken. Steine auf dem Meeresgrund sind etwas total Normales.
Drittens ist die Nordsee ziemlich groß, die Gebiete in denen jetzt Steine zu liegen bekommen sind ziemlich klein. Das allein führt keinen Fischer in die Insolvenz, die Überfischung hingegen schon!
An dieser Stelle viertens: Es gibt wichtigeres als die kurzfristigen finanziellen Interessen der Fischer! Nämlich das langfristige Interesse an Meeren, in denen es auch Morgen noch Fische und, ganz Allgemein, Artenvielfalt gibt.

Aufregen tu ich mich über die Reifen um Gottes Willen nicht - der Unterschied ist halt, dass Greenpeace immer offen zu ihren Aktionen steht und nicht heimlich hintenrum agiert. Ausserdem sabotieren wir auch nicht an Fischkuttern rum und verschwinden dann.

Das Grundschleppnetzfischerei legal ist, ist zwar unbestritten, aber nicht umumstritten. Vielleicht sollte man sie komplett verbieten.
Luke (Gast) - 24. Aug, 23:32

Illeagl - aber Greenpeace egal

Sorry aber das muss mal klar gestellt werden:
Gesetze werden in Deutschland nicht von Gerichten gemacht – aber du kannst ja gerne die Verurteilung abwarten. In Deutschland gibt es ein so genanntes „Hohe-See-Einbringungsgesetz“
Gesetz über das Verbot der Einbringung von Abfällen und anderen Stoffen und Gegenständen in die Hohe See vom 25. August 1998. Darin sind in § 3 Abs. 1 Nr. 3 und Abs.4 die gesetzlichen Richtlinien, auch für diesen Greenpeacefall, enthalten. Es heißt:
§ 3 Begriffsbestimmungen
(Absatz 1) Einbringen im Sinne dieses Gesetzes ist:
Nr 3. jede Lagerung von Abfällen oder sonstigen Stoffen auf dem Meeresboden und im Meeresuntergrund von Schiffen, Luftfahrzeugen, Plattformen oder sonstigen auf Hoher See errichteten Anlagen aus und
[Also das was Greenpeace gerade macht ist ja wohl die Lagerung von sonstigen Stoffen auf dem Meeresboden / dem Meeresuntergrund von einem Schiff oder? Aber es geht ja juristisch weiter in § 3 Abs. 4:]
„Verschmutzung im Sinne dieses Gesetzes ist jede Auswirkung einer durch menschliches Handeln mittelbar oder unmittelbar verursachten Verunreinigung durch Abfälle oder sonstige Stoffe oder Gegenstände in der Hohen See, die lebende Organismen des Meeres und die Meeres-Ökosysteme beeinträchtigen, die menschliche Gesundheit gefährden, rechtmäßige Nutzung des Meeres wie die Fischerei behindern, die Qualität des Meerwassers verschlechtern und sonstige Umweltgüter beeinträchtigen.“
Dem aufmerksamen Leser fällt auf: „Verschmutzung (…) ist jede Auswirkung einer durch menschliches Handeln (…) verursachten Verunreinigung durch (…) sonstige Stoffe oder Gegenstände in der Hohen See die (…) rechtmäßige Nutzung des Meeres wie die Fischerei behindern“
Also stellt sich die Frage nicht mehr ob die Aktion legal oder illegal ist… wir haben ein Gesetz, dass den Sachverhalt regelt. So zu tun als ob ein Gericht nun durch eine wahrscheinlich göttliche Fügung den Vorgang dennoch als legal bezeichnen wird, ist absurd. Greenpeace begeht (mal wieder) PR-bezogenen Gesetzesbruch.
Inhaltlich könnte man euch, auch wenn das nicht mein Thema ist und ich mich viel mehr über die „Selbstjustiz“ von Greenpeace aufrege, entgegenhalten, dass die Fischer vor Ort jetzt vermehrt auf Stellnetzfischerei umstellen wollen. Diese bedroht nach Aussagen der Fischer in der Netzzeitung (http://www.netzeitung.de/politik/deutschland/1128678.html) vor allem die Schweinswale. Aber das ist – wie schon im letzten Kommentar geschrieben – nicht das Thema. Das Thema ist der anmaßende Glaube von Greenpeace vor dem Gesetz gleicher als alle anderen zu sein.

floppi - 25. Aug, 10:49

Von dem Gesetz habe ich schon gehört - mir ging es aber genau darum: Warten, bis ein Gericht Greenpeace verurteilt. Danach bin ich bereit, das Ganze als "illegal" anzusehen. Ich akzeptiere auch gerne, dass Menschen das für illegal halten - wie ich schon schrieb, ist mir das nicht so wichtig. Ausserdem wehre ich mich gar nicht dagegen, dass Greenpeace deshalb vor Gericht gezerrt und möglicherweise verurteilt wird. Da kann ich mit Leben.

Zurück zum Sinn und Zweck der Aktion und den Fischern:
Substanzlos kann das kaum sein, ich würde es eher effektiv nennen. Das Argument mit den Stellnetzen halte ich für Vorgeschoben, um den "Wale-Rettern" eins reinzuwürgen.

Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass gerade die Nordsee überfischt ist und industriell zerstört wird. Seit Jahrzehnten hat niemand wirkliche Schutzmassnahmen ergriffen. Und wenn Greenpeace dann aktiv wird, kommen die Nörgler. Wo sind denn die Konzepte der Fischer, um die Nordsee vor Überfischung zu schützen?
Johan (Gast) - 31. Aug, 13:08

Rechtliche Konsequenzen

Greenpeace versenkt weiter Steine. Trotz einstweiliger Verfügung des Landgerichts Hamburg. Und nu?
Das Landgericht Hamburg hatte Greenpeace in einer einstweiligen Verfügung verboten, Steine in dem Seegebiet zu versenken, wie die Bundespolizei am Freitag in Bad Bramstedt (Kreis Segeberg) mitteilte. Den Umweltschützern wird darin ein Zwangsgeld in Höhe von 250.000 Euro oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.
http://www1.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/greenpeace124.html

floppi - 1. Sep, 14:00

Rechtliche Konsequenzen

Naja die Information ist ziemlich kurz.
Da würde ich gerne erstmal den Text der einstweiligen Verfügung lesen, bevor ich da irgendetwas zu sage.

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